Ausstellungstext
Die zweite dialogische Präsentation erweitert Cora Pongracz’ Serie und gleichnamige Ausstellung 8 erweiterte portraits um Arbeiten der zypriotischen Künstlerin Marietta Mavrokordatou, die Cora Pongracz’ medienreflexives und erweitertes Porträt- und Identitätsverständnis um die Dimension verkörperter und situierter Erfahrung ergänzen. Ein phänomenologisches Verständnis des Sehens aufgreifend, nutzt Mavrokordatou in ihrer künstlerischen Praxis die Kamera immer wieder als Erweiterung des Körpers – als ein Instrument, das Wahrnehmung nicht lediglich vermittelt, sondern konstituiert. In diesem Sinne operieren ihre Arbeiten im Spannungsfeld zwischen Körper, Medium und Wahrnehmung und untersuchen – ähnlich wie Cora Pongracz – das Potenzial des fotografischen Mediums im Hinblick auf selbstbestimmte, erfahrungsbasierte Ausdrucksformen und multiperspektivische Erzählweisen des Selbst.
Angelehnt an die Ausstellungstarchitekur verweisen beide im Dialog mit der Ausstellung 8 erweiterte portraits entwickelten Arbeiten in diesem Kontext auf das Motiv des Labyrinths – einen räumlich und symbolisch aufgeladenen Ort, an dem Wege, Bilder und Bedeutungen sich überlagern, auflösen und neu konstituieren. Im Dialog mit Pongracz’ Arbeiten entfaltet sich hier eine visuelle Rhythmik, die aus Ähnlichkeiten, Differenzen und Wiederholungen besteht, zugleich aber auch durch Unterbrechungen und Verschiebungen strukturiert wird. Diese Dynamik erzeugt eine Rezeptionsweise, die an den Prozess des Suchens erinnert: Momente der Desorientierung wechseln sich ab mit Momenten des Wiedererkennens.
Die im letzten Raum ausgestellte Arbeit Untitled (The way back), 2025, ordnet 81 fotografische Aufnahmen innerhalb eines Kodak-Diakarussels zu einer fortlaufenden Sequenz. Die Arbeit greift das Motiv der Brotkrumen aus Märchen auf – als metaphorisches Hilfsmittel, das Orientierung bietet und den Weg (zurück nach Hause) weist. Die 81-teilige Arbeit wird so zu einer fotografischen Spurensuche (und Spurensicherung), die auch sich selbst nur als temporäre Lichtspur offenbart. So erscheinen Spuren des Alltags, die sich auf persönlichen Gegenständen und alltäglichen Gebrauchsobjekten formieren: auf Kleidungsstücken, Laptop, Handy sowie auf der Linse der Kamera. Das von Mavrokordatou gewählte Makroobjektiv ermöglicht eine detailreiche, zugleich aber auch abstrahierte Wahrnehmung der kleinen Partikel und eröffnet eine Annäherung an das, was gewöhnlich außerhalb direkter Reichweite und jenseits des eigenen Blickfeldes liegt. Durch die spezifische Funktionsweise des Diakarussels werden die projizierten Bilder dabei in eine sequenzielle Narration gebracht, die weder Anfang noch Ende besitzt und eine nicht fixierbare Erzählstruktur erzeugt. Im Gegensatz zur klassischen Logik des fotografischen Prinzips, das einen einzigen Moment erfasst und dauerhaft fixiert, entsteht vielmehr ein zyklisches Kontinuum: eine Schleife, die sich jeder abschließenden Vereindeutigung entzieht.
Die Arbeit 6/1, 2025, setzt das prozessuale Verständnis dieser medialen Vermittlung fort und erweitert sie dezidiert um die Dimension körperlicher Erfahrung. Die Geste, den Rhythmus des Karussell-Projektors in die angrenzenden Ausstellungsräume zu übertragen, erzeugt eine (weitere) Spur rhythmisch modulierter Lichtverhältnisse. Was beim Betreten zunächst Irritation hervorruft, wandelt sich allmählich in einen Rhythmus, der die Wahrnehmung der Fotografien strukturiert und ihre Rezeption subtil moduliert. Die wiederholenden Lichtimpulse fungieren dabei nicht nur als visuelles Element, sondern aktivieren vor allem das Bewusstsein für die eigene körperliche Präsenz im Raum, die Positionierung im Verhältnis zu den projizierten Bildern sowie die zeitliche und räumliche Wahrnehmung. Erst im letzten Raum, in direkter Begegnung mit der Arbeit Untitled (The way back), 2025, erschließt sich die volle Intention dieser Sequenz: Die mechanische Wiederholung des Projektors wird zu einem Medium, das ein komplexes Wechselspiel zwischen Sinneseindruck und subjektiver Erfahrung vermittelt.
Wie bereits in den Arbeiten von Cora Pongracz angelegt, verweisen somit beide – ebenfalls miteinander im Dialog stehenden – Arbeiten Mavrokordatous auf den fototechnischen Apparat: Die gleichmäßige, mechanische Funktionsweise des Diaprojektors – das wiederholende Klicken und Blitzen – bildet den Takt der Ausstellung und erzeugt zugleich ein vermitteltes ästhetisches Erlebnis, in dem die Wahrnehmung der Betrachter:in, die mediale Inszenierung und die räumliche Situation untrennbarmiteinander verbunden sind.
Künstlerische & Kaufmännische Leitung
Hendrike Nagel
Assistenz- & Programmkuratorin
Luisa Kleemann
Material
Biografie
Marietta Mavrokordatou (*1996, Nikosia, Zypern) lebt und arbeitet in London. Mavrokordatou hat an bereits an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen teilgenommen, darunter Radio Athènes, Athen (2025); Camera Austria, Graz (2025); Benaki Museum, Athen (2025); Final Hot Desert, London (2025); Brunette Coleman, London (2024); Radio Athènes, Athen (2024); Akwa Ibom, Athen (2024); wieoftnoch, Karlsruhe (2024); Thkio Ppalies, Nikosia (2023); A Thousand Julys, Nikosia (2022); KM S/S 2024, Akwa Ibom, Athen; und Felix Gaudlitz, Wien (2023).
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